„Borzoni“ - Schweizer Modellflug-Geschichte, die lebt
Die Geschichte des „Borzoni“ wurde im „modell Flugsport 3/2011“ auf den Seiten 47/48 im Detail erzählt. Diese Geschichte ist ja schon faszinierend genug…
Am 04. Juni 2022 drückte mir Peter Renggli, ein guter Modellbau-Kollege, einen „Borzoni“ in die Hand.
Dies mit der ausdrücklichen Bitte, das Modell in Ehren zu halten und es nach Möglichkeit zu fliegen. Die Erwartungshaltung war klar und mein Ziel, das Modell für den Antikflugtag der MG Bern am 03. September 2022 in die Luft zu bringen.
Beim Modell handelt es sich um einen Nachbau von Ruedi Schenker selig. Er war Mitglied der MG Olten (OL9) und dieses war sein 297-igstes Modell (OL9 297!). Ruedi hat es Peter geschenkt und dieser wiederum verdankenswerter Weise mir.
So ein Modell in den Händen zu halten macht stolz, ehrfürchtig und eben auch pflichtbewusst. Peter Renggli weiss schon länger, dass ich mich mit dem Bau eines Modell-Dieselmotors DYNO I beschäftige. Genauso ein Motor gehört nämlich in dieses Modell. Seine Absicht war natürlich, mich auf meinem Weg zum Eigenbau-Motor zu beflügeln. Im Sommer entstand dann mal wieder ein Aluguss des Kurbelgehäuses. Leider war die Qualität noch nicht ausreichend und die Zeit drängte. Ein passender Motor musste her.
Ein MP Jet Letmo 2.5ccm wäre ein valabler Ersatz gewesen, passt aber von der Befestigungsmöglichkeit schlecht in den Borzoni. Ein Original DYNO I zu bekommen ist auch schwierig oder schlicht teuer. Die meisten noch vorhandenen Motoren stehen in irgendwelchen Vitrinen bei Sammlern. Wie es der Zufall wollte, löste aber genauso ein Sammler seine Sammlung auf und eine DYNO I Replika stand im Brocki in Sugiez zum Verkauf. Meine Fahrt dorthin hat sich gelohnt und es wurde ein fairer Preis vereinbart. Der Motor stammt wohl aus der Produktion von Ronald Valentine und sah aus wie aus der Fabrik, es gab keine Gebrauchsspuren. Ob das gute Stück auch wunschgemäss als Antrieb für den Borzoni taugt wurde dann in etlichen Versuchen auf dem Prüfstand geklärt. Diesel-Treibstoff war vorhanden und nach kurzer Einstellarbeit hustete der Motor und schon bald lief dieser freudig und zuverlässig durch.
Nachdem die Motorenfrage geklärt war, ging es an die Spenglerarbeit, um dem Modell den passenden Schutz vor den öligen Abgasen und das stilechte Aussehen zu geben. Das typische Loch auf der rechten Seite dient dem Zugang zum Vergaser.
Die noch verbauten Servos unbekannter Herkunft wurden durch solche mit Metallgetriebe ersetzt, um den zu erwartenden Vibrationen besser gewachsen zu sein. Der 27MHz Empfänger wurde durch einen zeitgemässen ausgetauscht, und die Bordversorgung übernimmt jetzt ein 2S-LiPo mit BEC.
Soweit alles gut, das Modell stand kurz vor dem besagten Antikflugtag flugbereit im Garten. Für einen Werksflug reichte die Zeit nicht mehr, der Schwerpunkt schien nach allgemeiner Erfahrung zu stimmen. Ob aber der Motorsturz und die Wirkung des Pendelruders ausreichend sein werden, musste der Erstflug zeigen. Viel Zeit blieb auch am Flugtag nicht für Experimente, war doch das Wetter am Vormittag alles andere als freundlich.
Entsprechend war mein Puls leicht erhöht und das „Hosenflattern“ machte sich bemerkbar. Zum Glück konnte mir Thomas Ghisler mit Rat und Tat, im wahrsten Sinn des Wortes, zur Seite stehen. Er kennt das Modell in- und auswendig, hat er doch den heute bei walter_wolf@bluewin.ch erhältlichen Bauplan (Modellbauplan Archiv) des Modells ab dem Original erstellt.
Der Erstflug verlief dann ruhig und unspektakulär. Der Höhenruderausschlag war etwas knapp, reichte aber trotzdem, das Modell als Ganzes auf den sicheren Boden zurück zu bringen.
Antikflug macht Spass, die Auseinandersetzung mit der Geschichte und die Erlebnisse mit gleichgesinnten Kollegen sind sehr bereichernd. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an die MG Bern und speziell an Urs Brand für die jährliche Durchführung des Antikflugtags.
Roger Lehmann, Kriegstetten, 23.10.2022